Projekt: "Sachsen - Land der Vielfalt, Land der Arbeit"

Die (Selbst-)Darstellung durch das Heimatwerk Sachsen in den Jahren 1936 bis 1945

von Bianca Brendel

 

Im Bildarchiv des ISGV befindet sich eine umfangreiche Sammlung von Fotografien der NS-Organisation „Heimatwerk Sachsen“. Neben Aufnahmen von dessen eigener Bildstelle finden sich vereinzelt auch Bestände anderer Provenienz, die das Heimatwerk für seine Zwecke angefordert hatte. Es handelt sich dabei um Aufnahmen aus Industrie und Gewerbe sowie von Landschaften vor dem Zweiten Weltkrieg. 

Abb. 1: Grenzland-Theater bei Zittau

 

Die Entstehung des Heimatwerks und seiner fotografischen Arbeit ist im Kontext der 1933 einsetzenden umfassenden institutionellen Gleichschaltung von Kulturpolitik und Heimatforschung zu sehen. Diese war im gesamten Deutschen Reich zunächst durch das Reichspropagandaministerium sowie die NS-Parteiorganisationen geprägt. Kommunale Bestrebungen spielten ebenfalls eine bestimmende Rolle. Der Reichsstatthalter und Gauleiter von Sachsen, Martin Mutschmann, setzte sich jedoch bald von dieser Linie ab, um auf Landesebene die Oberhoheit über Kulturfragen und „Volkstumsarbeit“ zu bewahren. Zur Durchsetzung herrschaftlicher und ideologischer Ziele sollte die Kulturarbeit den sächsischen „Heimatstolz“ stärken und damit dem vermeintlich schlechten Ruf Sachsens und seiner angeblichen kabarettistischen Diffamierung entgegenwirken. Als erster Schritt wurde 1936 die „Sachsenaktion“ ins Leben gerufen: eine Kampagne, die gegen die vermeintliche Diffamierung der Sachsen in den Medien gerichtet war.

Abb. 2: Vogtlandhalle bei einer Ausstellung in Dresden

 

Die „Sachsenaktion“ wurde mit der Gründung des Heimatwerks Sachsen am 2. Oktober 1936 in Dresden institutionalisiert. Seine Aufgabe bestand in der Popularisierung der Idee eines „sächsischen Volkstums“, das im nationalsozialistischen Sinne die Sachsen und Sächsinnen in die „NS-Volksgemeinschaft“ integrieren und ihnen zugleich eine distinkte Kultur zuschreiben sollte. Unter der Ägide Mutschmanns und eng mit der Parteistruktur der NSDAP verflochten, sollte es für fünf eigens definierte „Volkstumsbezirke“ (Elbe, Leipziger Land, Vogtland, Erzgebirge und Lausitz) deren herausragende Stellung und Errungenschaften für das Reich hervorheben. Damit grenzte es sich in seiner Funktion deutlich vom 1933 in Berlin gegründeten „Deutschen Heimatwerk“ ab, das sich auf die Förderung handwerklicher Traditionsprodukte beschränkte.

Das Heimatwerk Sachsen unterhielt eine eigene Bildstelle für Dokumentations- und Ausstellungszwecke, sammelte aber auch Fotografien anderer Organisationen wie z.B. der Landesbildstelle. Neben der regen Ausstellungstätigkeit des Heimatwerks – besonders hervorzuheben ist hier die 1938 in Dresden gezeigte Schau „Sachsen am Werk“, die die Bestrebungen der Organisation thematisch bündelte – wurden auch zahlreiche Bildbände herausgegeben, die in einer gekürzten Fassung als „Sachsenpost“ später an sächsische Soldaten an der Front verschickt wurden.

Anhand ausgewählter Fotografien lassen sich Argumentations- und Instrumentalisierungsstrukturen des Heimatwerkes rekonstruieren. Das Besondere daran ist, dass sich ihre propagandistische Wirkung erst durch die Kontextualisierung zeigt. Sie sind nicht überladen mit NS-Symbolik, sondern subtil von dieser durchdrungen. Die vorhandenen Motive lassen sich dabei in vier Kategorien einteilen.

 

„Kultur- und Volkstumspflege“ 

 

Abb. 3: Bauerngüter bei Kreischa

Die vom Heimatwerk betriebene „Kultur- und Volkstumspflege“ versuchte, aus der Geschichte heraus ein besonderes kulturelles Erbe Sachsens zu begründen: Sachsen als Mittelpunkt der deutschen Kultur, der neben dem Ursprung geistlicher und politischer Strömungen und künstlerischer Erzeugnisse auch den vermeintlichen Ursprungsort der deutschen Sprache darstellte. Mit Blick auf seine Vergangenheit als Schauplatzplatz europäischer Kriege wurde Sachsen eine außerordentliche Bedeutung für das gesamtdeutsche Erbe zugemessen, die im nationalsozialistischen Deutschland unterstrichen werden sollte. Die Fotodokumentation des Heimatwerkes bemühte sich daher um Abbildungen historischer Gebäude oder Persönlichkeiten, die in diesem Kontext instrumentalisiert wurden. Die Dokumentation des Körnermuseums in Dresden liefert ein anschauliches Beispiel: Das kleine Gedenkhaus, das schon seit dem 19. Jahrhundert an den Aufenthalt Friedrich von Schillers bei dem gebürtigen Leipziger Kulturmäzen Christian Gottfried Körner erinnert, wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der Landesbildstelle dokumentiert. Da das Heimatwerk diese Bilder explizit für seine eigenen Bestände anforderte, lässt sich schließen, dass in dem historischen Kontext (im Zusammenhang mit Schiller und Körner) ein relevantes Kulturgut gesehen wurde, das für Sachsens Stellenwert im Deutschen Reich als bedeutsam galt. Während der in Dresden lebende Körner „deutsche Kultur“ förderte und sich Dresden zudem rühmen konnte, dass dort bedeutende Werke wie Schillers „Don Karlos“ entstanden seien, wurde auch Körners Sohn Theodor, der in den napoleonischen Befreiungskriegen gefallen war, für die Aufwertung der Region vereinnahmt und zum geistig-kulturellen und zugleich soldatischen Vorkämpfer Deutschlands gekürt. Das Heimatwerk wollte sächsische Geschichte als Vorbild des nationalsozialistischen Selbstverständnisses präsentieren.

Abb. 4: Ansicht eines Waschplatzes der Astrawerke in Chemnitz 

Doch auch die zeitgenössische kulturelle Bedeutung wurde propagiert. Neben der Fortsetzung „alter Traditionen“ konzentrierte sich das Heimatwerk vor 1939 insbesondere auf die Rolle Sachsens als Grenzland. Unter dieser Bezeichnung wurde Sachsen als „Brücke“ zu den „stammverwandten Brüdern“ in den angrenzenden Gebieten gesehen. Das im September 1936 eingeweihte Grenzlandtheater Zittau [Abb.1] ist für diese Interpretation ein Paradebeispiel. Die Grenzlandtheater hatten vor allem die deutschsprachige Bevölkerung in den Nachbarländern zur Zielgruppe. Schon die architektonische Abhebung von bisherigen Theaterbauten sollte den Aufschwung einer neuen deutschen „Hochkultur“ der Nationalsozialisten vermitteln und bei den deutschen Minderheiten im Ausland den Wunsch nach einer Zukunft in einem deutschen Großreich unter nationalsozialistischer Herrschaft wecken. Das Heimatwerk konnte das Grenzlandtheater Zittau, das mit nicht unerheblicher Einflussnahme seines Schirmherrn Mutschmann entstanden war, als Sachsens eigene „Vorarbeit“ zur Erweiterung des nationalsozialistischen Einflussgebietes werten, die später mit der „Befreiung“ Sachsens aus seiner Grenzlandlage durch die Besetzung ehemals tschechischer, slowakischer und polnischer Gebiete ihren Abschluss fand.

 

„Sächsischer Gewerbefleiß“

Unmittelbar an die kulturelle Traditionspflege durch das Heimatwerk schließen sich die Bildmotive an, die von einem besonderen „sächsischen Gewerbefleiß“ zeugen sollten. Neben Fotografien von regionalspezifischen Handwerkstechniken wie dem Instrumentenbau im Vogtland oder den Holzschnitzereien aus dem Erzgebirge, die in zahlreichen Ausstellungen gezeigt wurden [Abb. 2], fügt sich hier auch die Hervorhebung der sächsischen Landwirtschaft ein. Während das Handwerk Sachsens eine gleichberechtigte Einreihung in die „deutsche Wertarbeit“ erlaubte, wurde mit der Agrarwirtschaft auch der Nutzen für die Versorgung Gesamtdeutschlands hervorgerufen. Zudem erweckten die Fotografien  [Abb. 3] die Vorstellung einer ländlichen Idylle mit ehrlicher und fleißiger Bevölkerung.

 

„Industriemacht Sachsen"

 

Abb.5: Blick vom Turm der Chemnitzer Schlosskirche 

Im Vordergrund der Fotoreihe steht jedoch die industrielle Produktion Sachsens. Diese ergänzte die Darstellung von kleinen und mittleren Betrieben und des Handwerks und erzeugte so das Bild eines vielschichtigen Sachsens. Dennoch enthielt die Industriefotografie das größte Propagandapotenzial.

Neben Bildern von den eigentlichen Produktionsstätten finden sich Motive wie Arbeitsplätze von Angestellten; sie sollen einen Eindruck von der Modernität der Büros und sanitären Anlagen und einem vielfältigen Pausen- und Freizeitangebot vermitteln. Diese Darstellungen sollten ein hochentwickeltes und arbeiterfreundliches Betriebsklima suggerieren. Die Allgegenwart von Porträtbildern Adolf Hitlers oder anderer Parteifunktionäre sowie nationalsozialistischer Symbole lässt dabei auf eine bestimmte Lesart schließen: Das NS-Regime verwies damit auf seinen Ursprung als „Arbeiterpartei“, die die Beseitigung der Arbeitslosigkeit und die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen für sich in Anspruch nahm. Dieses Thema war im industriellen Ballungsraum Sachsen von besonderer Bedeutung. [Abb. 4]

 

„Landschaft der Abwechslung“

 

Abb. 6: Blick auf Oberwiesenthal

Schließlich wurden vom Heimatwerk auch zahlreiche Landschaftsaufnahmen gefertigt, die eine enge Naturverbundenheit der nationalsozialistischen Gesellschaft und das harmonische Nebeneinander von Industrie und Natur zeigen sollten. Auch die von den Nazis propagierte „Volksgesundheit“ wird in den inszenierten Aufnahmen von Betätigungen an der „frischen Luft“ widergespiegelt [Abb. 5]. Mit den Aufnahmen von Erholungs- und Sportgebieten – zu nennen sind hier beispielsweise die Talsperren als Schwimm- und Segelorte, die Skischanzen im Erzgebirge und Vogtland oder diverse Kurbäder – beanspruchte Sachsen eine Vorbildfunktion für Gesamtdeutschland. Die Landschaftsbilder verklärten die Natur zur romantischen Idylle und erhoben diese nicht nur zu einer Hauptaufgabe des „Heimatschutzes“, sondern auch zum „Lebensraum der arischen Rasse“. [Abb. 6] 

Das Heimatwerk stellte Sachsen mit seinen Fotografien als einen Raum zur Verwirklichung nationalsozialistischer Idealvorstellungen dar und vereinigte dabei scheinbare Widersprüche (Tradition/Modernität, Stadt/Land, Industrie/Landwirtschaft, Arbeit/Erholung, Hochkultur/Militarismus) zu einer Synthese, die vielerlei ideologischen Prinzipien genügen sollte. Dieses ideologische Wunschbild wurde auch dann noch gezeichnet, als das Land bereits in Trümmern lag.

Welche Wirkung die Propagandatätigkeit des Heimatwerks entfaltete, ist nicht zu rekonstruieren. Da die Reichweite kaum über die Landesgrenzen hinaus ging, ist nicht anzunehmen, dass die Bemühungen um das Image Sachsens von großem Erfolg waren. Ohne Zweifel verstärkten die vielfältigen Bildmedien der „Volkstumsarbeit“ aber kulturelle Zuschreibungen und Selbstbilder, die schon vor 1933 existierten und die bis heute nachwirken. 

 

Literatur:

Hanzig, Christoph: „Noch nie haben die erzgebirgischen Schnitzer einen solchen Freund gehabt, wie ihren Reichsstatthalter“. „Der Freiheitskampf“ und das „Heimatwerk Sachsen“, in: HAIT-online, 19.11.2020, URL: https://haitblog.hypotheses.org/987 (zuletzt aufgerufen am 12.01.2022).

Heimatwerk Sachsen (Hg.): Sachsen. Land der Vielfalt. Werkstatt Deutschlands. Mittelpunkt deutscher Kultur. Grenzland, Dresden 1936.

Heimatwerk Sachsen (Hg.): Satzung, Dresden 1936.

Heimatwerk Sachsen (Hg.): Sachsen. Land der Schönheit. Land der Arbeit. Unter Mitarbeit von Heinz Graefe, Dresden 1939.

Heimatwerk Sachsen (Hg.): Wofür wir kämpfen. Kulturgüter des Sachsengaues. Unter Mitarbeit von Arthur Graefe, Dresden 1944.

Herz, Dieter: Operation Sachsenstolz. Zu Anspruch und Methode des „Heimatwerks Sachsen“. (1936-1945), in: Seifert, Manfred (Hg.): Zwischen Emotion und Kalkül. „Heimat“ als Argument im Prozess der Moderne, Leipzig 2010, S. 103-126.

Schaarschmidt, Thomas: Kulturpolitik im Lande eines Kulturbanausen? Die sächsische Gauleitung und das „Heimatwerk Sachsen“, in: Vollnhals, Clemens (Hg.): Sachsen in der NS-Zeit, Leipzig 2002, S. 104-117.